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196 Die zwölf Jäger
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Es war einmal ein Königssohn, der hatte eine Braut und hattesie sehr lieb. Als er nun bei ihr saß und ganz vergnügtwar, da kam die Nachricht, daß sein Vater todkrank lägeund...
Es war einmal ein Königssohn, der hatte eine Braut und hattesie sehr lieb. Als er nun bei ihr saß und ganz vergnügtwar, da kam die Nachricht, daß sein Vater todkrank lägeund ihn noch vor seinem Ende zu sehen verlangte. Da sprach erzu seiner Liebsten: »Ich muß nun fort und mußdich verlassen, da geb ich dir einen Ring zu meinem Andenken.Wann ich König bin, komm ich wieder und hol dich heim.«Da ritt er fort, und als er bei seinem Vater anlangte, war diesersterbenskrank und dem Tode nah. Er sprach zu ihm: »LiebsterSohn, ich habe dich vor meinem Ende noch einmal sehen wollen,versprich mir, nach meinem Willen dich zu verheiraten«, undnannte ihm eine gewisse Königstochter, die sollte seine Gemahlinwerden. Der Sohn war so betrübt, daß er sich gar nichtbedachte, sondern sprach: »Ja, lieber Vater, was Euer Willeist, soll geschehen«, und darauf schloß der Königdie Augen und starb. Als nun der Sohn zum König ausgerufen und die Trauerzeitverflossen war, mußte er das Versprechen halten, das erseinem Vater gegeben hatte, und ließ um die Königstochterwerben, und sie ward ihm auch zugesagt. Das hörte seine ersteBraut und grämte sich über die Untreue so sehr, daßsie fast verging. Da sprach ihr Vater zu ihr: »Liebstes Kind,warum bist du so traurig? Was du dir wünschest, das sollstdu haben.« Sie bedachte sich einen Augenblick, dann sprachsie: »Lieber Vater, ich wünsche mir elf Mädchen,von Angesicht, Gestalt und Wuchs mir völlig gleich.«Sprach der König: »Wenn's möglich ist, soll deinWunsch erfüllt werden«, und ließ in seinem ganzenReich so lange suchen, bis elf Jungfrauen gefunden waren, seinerTochter von Angesicht, Gestalt und Wuchs völlig gleich. Als sie zu der Königstochter kamen, ließ diese zwölfJägerkleider machen, eins wie das andere, und die elf Jungfrauenmußten die Jägerkleider anziehen, und sie selber zogdas zwölfte an. Darauf nahm sie Abschied von ihrem Vaterund ritt mit ihnen fort und ritt an den Hof ihres ehemaligen Bräutigams,den sie so sehr liebte. Da fragte sie an, ob er Jäger brauchteund ob er sie nicht alle zusammen in seinen Dienst nehmen wollte.Der König sah sie an und erkannte sie nicht; weil es aberso schöne Leute waren, sprach er ja, er wollte sie gernenehmen; und da waren sie die zwölf Jäger des Königs. Der König aber hatte einen Löwen, das war ein wunderlichesTier, denn er wußte alles Verborgene und Heimliche. Es trugsich zu, daß er eines Abends zum König sprach: »Dumeinst, du hättest da zwölf Jäger?« »Ja«, sagte der König, »zwölf Jägersind's«. Sprach der Löwe weiter: »Du irrst dich,das sind zwölf Mädchen.« Antwortete der König:»Das ist nimmermehr wahr, wie willst du mir das beweisen?« »Oh, laß nur Erbsen in dein Vorzimmer streuen«,antwortete der Löwe, »da wirst du's gleich sehen. Männerhaben einen festen Tritt, wenn die über Erbsen hingehen,regt sich keine, aber Mädchen, die trippeln und trappelnund schlurfeln, und die Erbsen rollen.« Dem König gefielder Rat wohl, und er ließ die Erbsen streuen. Es war aber ein Diener des Königs, der war den Jägerngut, und wie er hörte, daß sie sollten auf die Probegestellt werden, ging er hin und erzählte ihnen alles wiederund sprach: »Der Löwe will dem König weismachen,ihr wärt Mädchen.« Da dankte ihm die Königstochterund sprach hernach zu ihren Jungfrauen: »Tut euch Gewaltan und tretet fest auf die Erbsen.« Als nun der König am andern Morgen die zwölf Jägerzu sich rufen ließ und sie ins Vorzimmer kamen, wo die Erbsenlagen, so traten sie so fest darauf und hatten einen so sichern,starken Gang, daß auch nicht eine rollte oder sich bewegte.Da gingen sie wieder fort, und der König sprach zum Löwen:»Du hast mich belogen, sie gehen ja wie Männer.«Antwortete der Löwe: »Sie haben's gewußt, daßsie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewaltangetan. Laß nur einmal zwölf Spinnräder ins Vorzimmerbringen, so werden sie herzukommen und werden sich daran freuen,und das tut kein Mann.« Dem König gefiel der Rat, under ließ die Spinnräder ins Vorzimmer stellen. Der Diener aber, der's redlich mit den Jägern meinte, ginghin und entdeckte ihnen den Anschlag. Da sprach die Königstochter,als sie allein waren, zu ihren elf Mädchen: »Tut euchGewalt an und blickt euch nicht um nach den Spinnrädern.«Wie nun der König am andern Morgen seine zwölf Jägerrufen ließ, so kamen sie durch das Vorzimmer und sahen dieSpinnräder gar nicht an. Da sprach der König wiederumzum Löwen: »Du hast mich belogen, es sind Männer,denn sie haben die Spinnräder nicht angesehen.« DerLöwe antwortete: »Sie haben's gewußt, daßsie sollten auf die Probe gestellt werden, und haben sich Gewaltangetan.« Der König aber wollte dem Löwen nichtmehr glauben. Die zwölf Jäger folgten dem König beständigzur Jagd, und er hatte sie je länger, je lieber. Nun geschahes, daß, als sie einmal auf der Jagd waren, Nachricht kam,die Braut des Königs wäre im Anzug. Wie die rechte Brautdas hörte, tat's ihr so weh, daß es ihr fast das Herzabstieß und sie ohnmächtig auf die Erde fiel. Der Königmeinte, seinem lieben Jäger sei etwas begegnet, lief hinzuund wollte ihm helfen und zog ihm den Handschuh aus. Da erblickteer den Ring, den er seiner ersten Braut gegeben, und als er ihrin das Gesicht sah, erkannte er sie. Da ward sein Herz so gerührt, daß er sie küßte,und als sie die Augen aufschlug, sprach er: »Du bist mein,und ich bin dein, und kein Mensch auf der Welt kann das ändern.«Zu der andern Braut aber schickte er einen Boten und ließsie bitten, in ihr Reich zurückzukehren, denn er habe schoneine Gemahlin, und wer einen alten Schlüssel wiedergefundenhabe, brauche den neuen nicht. Darauf ward die Hochzeit gefeiert,und der Löwe kam wieder in Gnade, weil er doch die Wahrheitgesagt hatte.