<Literaturwissenschaft> in poetischer Form erzählen
156 Die drei Männlein im Walde
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Es war ein Mann, dem starb seine Frau, und eine Frau, der starbihr Mann; und der Mann hatte eine Tochter, und die Frau hatteauch eine Tochter. Die Mädchen waren miteinander bekanntund gingen zusa...
Es war ein Mann, dem starb seine Frau, und eine Frau, der starbihr Mann; und der Mann hatte eine Tochter, und die Frau hatteauch eine Tochter. Die Mädchen waren miteinander bekanntund gingen zusammen spazieren und kamen hernach zu der Frau insHaus. Da sprach sie zu des Mannes Tochter: »Hör, sagedeinem Vater, ich wollt ihn heiraten, dann sollst du jeden Morgendich in Milch waschen und Wein trinken, meine Tochter aber sollsich in Wasser waschen und Wasser trinken.« Das Mädchenging nach Haus und erzählte seinem Vater, was die Frau gesagthatte. Der Mann sprach: »Was soll ich tun? Das Heiraten ist eineFreude und ist auch eine Qual.« Endlich, weil er keinen Entschlußfassen konnte, zog er seinen Stiefel aus und sagte: »Nimmdiesen Stiefel, der hat in der Sohle ein Loch, geh damit auf denBoden, häng ihn an den großen Nagel und gießdann Wasser hinein. Hält er das Wasser, so will ich wiedereine Frau nehmen, läuft's aber durch, so will ich nicht.« Das Mädchen tat, wie ihm geheißen war; aber das Wasserzog das Loch zusammen, und der Stiefel ward voll bis obenhin.Es verkündigte seinem Vater, wie's ausgefallen war. Da stieger selbst hinauf, und als er sah, daß es seine Richtigkeithatte, ging er zu der Witwe und freite sie, und die Hochzeit wardgehalten. Am andern Morgen, als die beiden Mädchen sich aufmachten,da stand vor des Mannes Tochter Milch zum Waschen und Wein zumTrinken, vor der Frau Tochter aber stand Wasser zum Waschen undWasser zum Trinken. Am zweiten Morgen stand Wasser zum Waschenund Wasser zum Trinken so gut vor des Mannes Tochter als vor derFrau Tochter. Und am dritten Morgen stand Wasser zum Waschen undWasser zum Trinken vor des Mannes Tochter und Milch zum Waschenund Wein zum Trinken vor der Frau Tochter, und dabei blieb's.Die Frau ward ihrer Stieftochter spinnefeind und wußte nicht,wie sie es ihr von einem Tag zum andern schlimmer machen sollte.Auch war sie neidisch, weil ihre Stieftochter schön und lieblichwar, ihre rechte Tochter aber häßlich und widerlich. Einmal im Winter, als es steinhart gefroren hatte und Berg undTal vollgeschneit lag, machte die Frau ein Kleid von Papier, riefdas Mädchen und sprach: »Da, zieh das Kleid an, gehhinaus in den Wald und hol mir ein Körbchen voll Erdbeeren;ich habe Verlangen danach.« »Du lieber Gott«, sagte das Mädchen, »im Winterwachsen ja keine Erdbeeren, die Erde ist gefroren, und der Schneehat auch alles zugedeckt. Und warum soll ich in dem Papierkleidegehen? Es ist draußen so kalt, daß einem der Atemfriert; da weht ja der Wind hindurch, und die Dornen reißenmir's vom Leib.« »Willst du mir noch widersprechen?« sagte die Stiefmutter.»Mach, daß du fortkommst, und laß dich nichteher wieder sehen, als bis du das Körbchen voll Erdbeerenhast.« Dann gab sie ihm noch ein Stückchen hartes Brotund sprach: »Davon kannst du den Tag über essen«,und dachte: Draußen wird's erfrieren und verhungern undmir nimmermehr wieder vor die Augen kommen. Nun war das Mädchen gehorsam, tat das Papierkleid an undging mit dem Körbchen hinaus. Da war nichts als Schnee dieWeite und Breite, und war kein grünes Hälmchen zu merken.Als es in den Wald kam, sah es ein kleines Häuschen, darausguckten drei kleine Haulemännerchen. Es wünschte ihnendie Tageszeit und klopfte bescheidenlich an die Tür. Sieriefen »Herein«, und es trat in die Stube und setztesich auf die Bank am Ofen, da wollte es sich wärmen und seinFrühstück essen. Die Haulemännerchen sprachen:»Gib uns auch etwas davon.« »Gerne«, sprach es, teilte sein Stückchen Brotentzwei und gab ihnen die Hälfte. Sie fragten: »Waswillst du zur Winterzeit in deinem dünnen Kleidchen hierim Wald?« »Ach«, antwortete es, »ich soll ein Körbchenvoll Erdbeeren suchen und darf nicht eher nach Hause kommen, alsbis ich es mitbringe.« Als es sein Brot gegessen hatte, gabensie ihm einen Besen und sprachen: »Kehre damit an der Hintertüreden Schnee weg.« Wie es aber draußen war, sprachendie drei Männerchen untereinander: »Was sollen wir ihmschenken, weil es so artig und gut ist und sein Brot mit uns geteilthat.« Da sagte der erste: »Ich schenk ihm, daßes jeden Tag schöner wird.« Der zweite sprach: »Ichschenk ihm, daß Goldstücke ihm aus dem Mund fallen,sooft es ein Wort spricht.« Der dritte sprach: »Ichschenk ihm, daß ein König kommt und es zu seiner Gemahlinnimmt.« Das Mädchen aber tat, wie die Haulemännerchen gesagthatten, kehrte mit dem Besen den Schnee hinter dem kleinen Hauseweg, und was glaubt ihr wohl, das es gefunden hat? Lauter reifeErdbeeren, die ganz dunkelrot aus dem Schnee hervorkamen. Da rafftees in seiner Freude sein Körbchen voll, dankte den kleinenMännern, gab jedem die Hand und lief nach Haus und wollteder Stiefmutter das Verlangte bringen. Wie es eintrat und »GutenAbend« sagte, fiel ihm gleich ein Goldstück aus demMund. Darauf erzählte es, was ihm im Walde begegnet war,aber bei jedem Worte, das es sprach, fielen ihm die Goldstückeaus dem Mund, so daß bald die ganze Stube damit bedecktward. »Nun sehe einer den Übermut«, rief die Stiefschwester,»das Geld so hinzuwerfen«, aber heimlich war sie neidischdarüber und wollte auch hinaus in den Wald und Erdbeerensuchen. Die Mutter: »Nein, mein liebes Töchterchen,es ist zu kalt, du könntest mir erfrieren.« Weil sieihr aber keine Ruhe ließ, gab sie endlich nach, nähteihm einen prächtigen Pelzrock, den es anziehen mußte,und gab ihm Butterbrot und Kuchen mit auf den Weg. Das Mädchen ging in den Wald und gerade auf das kleine Häuschenzu. Die drei kleinen Haulemänner guckten wieder, aber esgrüßte sie nicht, und ohne sich nach ihnen umzusehenund ohne sie zu grüßen, stolperte es in die Stube hinein,setzte sich an den Ofen und fing an, sein Butterbrot und seinenKuchen zu essen. »Gib uns etwas davon« riefen die Kleinen, aber es antwortete:»Es schickt mir selber nicht, wie kann ich andern noch davonabgeben?« Als es nun fertig war mit dem Essen, sprachen sie:»Da hast du einen Besen, kehr uns draußen vor der Hintertürrein.« »Ei, kehrt euch selber«, antwortete es, »ich bineure Magd nicht.« Wie es sah, daß sie ihm nichts schenkenwollten, ging es zur Türe hinaus. Da sprachen die kleinenMänner untereinander: »Was sollen wir ihm schenken,weil es so unartig ist und ein böses, neidisches Herz hat,das niemand etwas gönnt?« Der erste sprach: »Ichschenk ihm, daß es jeden Tag häßlicher wird.«Der zweite sprach: »Ich schenk ihm, daß ihm bei jedemWort, das es spricht, eine Kröte aus dem Munde springt.«Der dritte sprach: »Ich schenk ihm, daß es eines unglücklichenTodes stirbt.« Das Mädchen suchte draußen nach Erdbeeren, als es aberkeine fand, ging es verdrießlich nach Haus. Und wie es denMund auftat und seiner Mutter erzählen wollte, was ihm imWalde begegnet war, da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröteaus dem Mund, so daß alle einen Abscheu vor ihm bekamen. Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr und dachtenur darauf, wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid antunwollte, deren Schönheit doch alle Tage größerward. Endlich nahm sie einen Kessel, setzte ihn zum Feuer undsott Garn darin. Als es gesotten war, hing sie es dem armen Mädchenauf die Schulter und gab ihm eine Axt dazu, damit sollte es aufden gefrornen Fluß gehen, ein Eisloch hauen und das Garnschlittern. Es war gehorsam, ging hin und hackte ein Loch in dasEis, und als es mitten im Hacken war, kam ein prächtigerWagen hergefahren, worin der König saß. Der Wagen hieltstill, und der König fragte: »Mein Kind, wer bist du,und was machst du da?« »Ich bin ein armes Mädchen und schlittere Garn.«Da fühlte der König Mitleiden, und als er sah, wie esso gar schön war, sprach er: »Willst du mit mir fahren?« »Ach ja, von Herzen gern«, antwortete es, denn es warfroh, daß es der Mutter und Schwester aus den Augen kommensollte. Also stieg es in den Wagen und fuhr mit dem König fort, undals sie auf sein Schloß gekommen waren, ward die Hochzeitmit großer Pracht gefeiert, wie es die kleinen Männleindem Mädchen geschenkt hatten. Über ein Jahr gebar diejunge Königin einen Sohn, und als die Stiefmutter von demgroßen Glücke gehört hatte, so kam sie mit ihrerTochter in das Schloß und tat, als wollte sie einen Besuchmachen. Als aber der König einmal hinausgegangen und sonstniemand zugegen war, packte das böse Weib die Königinam Kopf, und ihre Tochter packte sie an den Füßen,hoben sie aus dem Bett und warfen sie zum Fenster hinaus in denvorbeifließenden Strom. Darauf legte sich ihre häßlicheTochter ins Bett, und die Alte deckte sie zu bis über denKopf. Als der König wieder zurückkam und mit seiner Frau sprechenwollte, rief die Alte: »Still, still, jetzt geht das nicht,sie liegt in starkem Schweiß, Ihr müßt sie heuteruhen lassen.« Der König dachte nichts Böses dabeiund kam erst den andern Morgen wieder, und wie er mit seiner Frausprach und sie ihm Antwort gab, sprang bei jedem Wort eine Krötehervor, während sonst ein Goldstück herausgefallen war.Da fragte er, was das wäre, aber die Alte sprach, das hättesie von dem starken Schweiß gekriegt und würde sichschon wieder verlieren. In der Nacht aber sah der Küchenjunge, wie eine Ente durchdie Gosse geschwommen kam, die sprach:
»König, was machst du? Schläfst du oder wachst du?« Und als er keine Antwort gab, sprach sie: »Was machen meine Gäste?« Da antwortete der Küchenjunge: »Sie schlafen feste.« Fragte sie weiter: »Was macht mein Kindelein?« Antwortete er: »Es schläft in der Wiege fein.« Da ging sie in der Königin Gestalt hinauf, gab ihm zu trinken,schüttelte ihm sein Bettchen, deckte es zu und schwamm alsEnte wieder durch die Gosse fort. So kam sie zwei Nächte,in der dritten sprach sie zu dem Küchenjungen: »Gehund sage dem König, daß er sein Schwert nimmt und aufder Schwelle dreimal über mir schwingt.« Da lief derKüchenjunge und sagte es dem König, der kam mit seinemSchwert und schwang es dreimal über dem Geist; und beim drittenmalstand seine Gemahlin vor ihm, frisch, lebendig und gesund, wiesie vorher gewesen war. Nun war der König in großer Freude, er hielt aber dieKönigin in einer Kammer verborgen bis auf den Sonntag, wodas Kind getauft werden sollte. Und als es getauft war, spracher: »Was gehört einem Menschen, der den andern aus demBett trägt und ins Wasser wirft?« »Nichts Besseres«, antwortete die Alte, »als daßman den Bösewicht in ein Faß steckt und den Berg hinabins Wasser rollt.« Da sagte der König: »Du hastdein Urteil gesprochen«, ließ ein Faß holen unddie Alte mit ihrer Tochter hineinstecken, dann ward der Bodenzugehämmert und das Faß bergab gekullert, bis es inden Fluß rollte.